Als wir im Frühjahr 2023 an unserem neuen Standort mit unseren Straßeneinsätzen begannen, kamen immer scharenweise Kinder im Alter von 3 bis 12 Jahren zu unserem Kinderprogramm. Sie freuten sich, machten begeistert mit. Bei Taylor war das anders.
Er stand mit großem Abstand irgendwo in einer Ecke und schaute zu. Er wirkte verstört und sehr schüchtern, zurückhaltend. Wenn wir auf ihn zugingen, dann lief er weg.
Mit der Zeit wagte er sich näher an uns heran, Schritt für Schritt. Zuerst nur zum Malen, dann hörte er sich die biblischen Geschichten an und später tanzte er fröhlich zu den Bewegungsliedern mit.
Heute verpasst der achtjährige Taylor keine Gruppenstunde in unserem Tageszentrum. Sein Vater verdient als Zimmermannsgehilfe weniger als einen Tageslohn. Seine Mutter sammelt Müll und ist als Straßenkehrerin tätig. Was sie verdienen reicht kaum aus, um ein vernünftiges Essen für die sechsköpfige Familie auf den Tisch zu bekommen.
Taylor und sein ältester Bruder leiden an einer unheilbaren Erbkrankheit: Anhidrotische Ektodermale Dysplasie. Sie haben schütteres Haar, kaum Zähne und weil die Schweißdrüsen nicht richtig arbeiten, können sie kaum schwitzen. Dadurch überhitzt der Körper. Taylor muss sich regelmäßig mit Wasser abkühlen. Wenn er dann klatschnass zurückkommt, mobbten ihn seine Kameraden oft. Eigentlich hätte er regelmäßig in die Vorschule gehen sollen, aber irgendwann ging er nicht mehr dorthin, weil er die Hänseleien nicht mehr ertragen konnte. Die Lehrer unterstützten ihn zwar mit Lernmaterialien, aber ohne die Hilfe seiner Eltern wurde er abgehängt. So war er oft auf den Straßen unterwegs, um Müll zu sammeln — wie seine Mutter.
In unser Tageszentrum kommt er gerne. Hier lernt er Buchstaben und Zahlen, malt und bastelt. Bei den Kinderstunden macht er fröhlich mit und hört aufmerksam den biblischen Geschichten zu. Auch wenn er immer wieder für eine Erfrischung auf die Toilette geht und dann klatschnass wiederkommt, stört das bei uns niemand.
Taylor ist ein anderes Kind geworden. Inzwischen ist er ein richtig aufgeweckter Junge, singt, tanzt und lacht sehr viel. Eine Vertrauensbeziehung ist gewachsen, weil die Mitarbeiter ihn bedingungslos angenommen haben so wie er ist.
Auch seine Mutter ist regelmäßig bei unseren Elternnachmittagen dabei. Der wöchentliche Treff hat für sie eine ganz besondere Bedeutung. Hier ist sie Mensch, hier erfährt sie Gemeinschaft, hier hört sie von dem Gott, der sie liebt.
Wir haben Taylor in unser Herz geschlossen— unser Tageszentrum ist gerade für Kinder wie Taylor da. Wir sind begeistert zu sehen, wie Kinder auftauen und immer mehr an Selbstvertrauen gewinnen, wenn sie bedingungslose Liebe erfahren und sie einen Ort haben, an dem sie mit offenen Armen empfangen werden.
Sabine Hamann